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12 Professor Brüntrup, ist Demut der beste Weg zum Glück? omas von Aquin und andere Philosophen waren der Meinung, dass Demut die Mutter aller Tugenden ist. Und ich nde, da ist was dran. Es gibt gute Argumente dafür, dass ein tugendha es Leben zum Glück führt. Der wichtigste Aspekt ist: Die Demut schützt uns vor Selbstüberschätzung. Und diese Selbstüberschätzung würde dazu führen, dass man weniger lernt, dass man weniger gut in Beziehungen leben kann und dass man sich abkapselt. Die Demut führt also dazu, dass ich mir selber weniger wichtig bin und ich dadurch die Tür zu mir, zur Realität und zu anderen Personen ö nen kann. Das ist die Grundlage des inneren Wachstums. Demut ist kein sehr beliebter Begriff. Demut wurde o missbraucht. Da müssen wir uns als Kirche auch selbst auf die Brust schlagen. Viel zu o hieß es: „Du kommst nur zum Heil, wenn du dich geistlich verkrüppelst und nicht zu deinen innersten Anliegen stehst.“ Aber gerade das ist nicht Demut. Demut soll zum Wachstum führen, die inneren Hindernisse für mein Wachstum beseitigen. Viel zu o wurde der Begri , auch in der Kirche und in Ordensgemeinscha en, ausgenutzt, um Leute klein zu halten und zu disziplinieren. Was sollte Demut aus Ihrer Sicht sein? Es gibt verschiedene Aspekte. Ich beginne mal mit der intellektuellen Demut. Sie besteht in der philosophischen Einsicht des Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Nicht jeder, der zwei Artikel im Internet über Covid gelesen hat, sollte sich dann auf Facebook und YouTube als Experte zum ema ergießen. Solchen Leuten mangelt es an intellektueller Demut. Es geht also, positiv gesprochen, um eine realistische Selbsteinschätzung und darum, immer lernfähig zu sein! Ein zweiter Aspekt der Demut bezieht sich auf den Umgang mit anderen Menschen. Bin ich o en für Neues, oder habe ich vorgefasste Meinungen und die anderen können nur im Lichte dieser Meinung erscheinen? Was ist mit spiritueller Demut? Ja, auch das ist ein Teil des Begri es. Bei spiritueller Demut geht es vor allem darum, immer ansprechbar für Gott zu bleiben. Dinge, die einem ans Herz gewachsen sind, loslassen zu können. Nicht gebunden zu sein. In Ihrer Gottesbeziehung, welche Rolle spielt der Begriff da? Als Jesuit gesprochen würde ich sagen: Der Mensch ist dahin gescha en, durch seine Tätigkeiten Gott zu loben und zu ehren. Ich tue also die Dinge nicht, um als Wissenscha ler glänzend dazustehen. Sondern ich ordne mich ein in etwas, das größer ist als ich selbst. Das ist letztlich eben Gott selber, in dessen Schöpfungswerk ich mich einordne. Demut heißt, dass die Ausrichtung meines Lebens auf Gott hin ist und mein Leben seine Güte sichtbar macht. INTERVIEW: TOBIAS RAUSER Ist Demut eine Überlebensfrage der Menschheit? Was ist spirituelle, was intellektuelle Demut? Der Philosoph und Jesuit Godehard Brüntrup im Gespräch. „Demut ist Grundlage des inneren Wachstums“ _WINTER 2023

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