cap!

13 mehr als ich in meiner Vereinzelung. Das kann ein Musikstück sein, ein Bild. Die Kunst lässt uns staunen. Das ist demütig. Und natürlich machen mich Erfahrungen der Unverfügbarkeit demütig, die großen Lebensstationen wie Tod oder Geburt. Dass ich auf der Welt bin, ist nicht meine Leistung! Oder die Liebe: Ich kann ein noch so „toller Hecht“ sein, aber dass mich jemand wirklich liebt, dass kann ich nicht durch Leistung erzwingen. Echte Liebe macht demütig. Ist Demut für die Menschheit eine Überlebensfrage? Ja, das würde ich so sehen. Es geht darum: Wie gehen wir mit diesem Planeten um? Es gibt noch viele Generationen nach uns! Wir sind nicht nur der Natur verp ichtet, sondern auch den jetzt noch nicht lebenden Menschen. Sich hier zurückzunehmen, nicht so zu leben, als würde es kein Morgen geben, das ist ein Aspekt der Demut, der eine Überlebensfrage für die Menschheit ist. Geht es in der Demut auch um einen guten Blick auf mich selbst, um Wahrhaftigkeit? Ja, das ist ein wichtiger Aspekt. Das ist zum Beispiel auch ein Grund dafür, warum man zur Beichte gehen sollte, um einen wahrha igen Blick auf sich selbst zu bekommen. Aber Demut ist mehr als das: geistlich gesprochen geht es darum, dass ich in mir Platz mache. Platz mache für Christus. Wenn Sie auf unsere Gesellschaft blicken: Erschwert diese es, demütig zu leben? Es ist ungeheuer erschwert. Denn diese Zeit scheint erstmal das Gegenteil von Demut zu belohnen – etwa in den sozialen Medien. Wir belächeln alle den Narzissmus von Trump, aber im Ende ekt ist das, was er treibt, ja nur die Zuspitzung dessen, was wir alle in der Gesellscha denken und tun. Der Mangel an Demut äußert sich o darin, dass Menschen denken: Das, was ich bin und erreicht habe, das habe ich mir selbst erscha en. Statt zu erkennen, dass das Meiste uns geschenkt wird. Ist Demut also die Einsicht, dass ich Teil von etwas Größerem bin? Das ist gut formuliert: Teil von etwas Größerem, aber freiwillig und selbstbestimmt. Werden deshalb viele Menschen in der Natur demütig? Angesichts der Erhabenheit der Natur wird uns klar und einsichtig, dass wir eben nicht alles selbst erscha en, dass wir nur ein Teil des Universums sind. Hier muss ich mich nicht aufspielen. Jeder, der einmal in einem Boot auf dem Meer hin und her geschaukelt wurde oder im Sturm auf einem Berg stand, weiß, was ich meine. Was macht Sie demütig? Eine ganz große Erfahrung der Demut ist das Schöne. Ich spüre, dass das Schöne eine Dimension ist, die die Zeit überdauert. Sie ist Professor Dr. Godehard Brüntrup SJ wurde 1957 in Fulda geboren. Godehard Brüntrup ist ein deutscher Philosoph, Theologe und Jesuit. Der Wissenschaftler und Ordensmann ist Professor für Metaphysik sowie Philosophie der Sprache und des Geistes an der Hochschule für Philosophie in München. Zudem unterrichtet er an der St. Louis University in den USA. FOTO: HOCHSCHULE FÜR PHILOSOPHIE TITELTHEMA _WINTER 2023

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