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39 Mitten in Manhattan steht seit einigen Monaten ein rotrosa Baum, ohne Laub, mit leuchtenden Wurzeln und Geäst. Von weitem sichtbar, inmitten der Häuserschluchten! Die neue Skulptur ndet sich an der „High Line“, einer stillgelegten Bahntrasse, die zu einem Park umgeformt worden ist und sich durch die Stadt schlängelt. Tausende Menschen kommen täglich an diesem Baum vorbei, halten inne, fragen sich, was das soll, machen Sel es und gehen weiter die High Line entlang in Richtung Downtown Manhattan. Vielleicht sind sie irritiert. Vielleicht geht ihnen der starke Kontrast der Häuserfassaden und der alarmierenden Farbe nach. Vielleicht bewegt sie die Frage: Hat die Natur nur noch eine Chance im Kunstwerk? Die Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz erinnert mit diesem Kunstwerk an den Baum des Lebens, der Himmel und Erde verbindet. Gleichzeitig erinnert der Baum an die untrennbare Verbindung von Mensch und Natur. Diese Verbindung scheint immer fragiler zu werden. Heute blutet die Natur. Das Rot des Blutes und Lebens ist für viele Landscha en schon längst versickert. Geäst und Wurzeln in der Verbindung mit der roten Farbe erinnern auch an die Verzweigungen menschlicher Organe, an Blutgefäße und Gewebe, an die faszinierende Komplexität des Lebens. Ein synthetischer Baum, über sieben Meter hoch, aus künstlichen Materialien gefertigt, erinnert an das pulsierende Leben, an die Vielschichtigkeit von Mensch und Natur. Inmitten einer Stadt, die mehr und mehr diese Natur wiederentdeckt, Grün- und Erholungszonen scha . Was ist künstlich, was ist natürlich? Was steht im Mittelpunkt? Der Mensch oder die Natur, die Stadt oder das Leben, der Verkehr, der sich unter dem Baum, der auf einer Plattform über einer Straße steht, zäh vorwärts bewegt? Der Baum des Lebens, rot-rosa leuchtend! Eine Au orderung, diese Verbindung wieder neu zu entdecken. BILDMEDITATION Baum des Lebens Old tree Künstlerin: Pamela Rosenkranz Ort: New York FOTO: KAPUZINER/DIENBERG TEXT: BR.THOMAS DIENBERG _WINTER 2023

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