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23 Im naturkundlichen Museum Senckenberg in Frankfurt gibt es eine riesige Halle. Sie ist voll mit ausgestop en Vögeln. Vom kleinen Kolibri bis zum großen Vogelstrauß, vom unau älligen grauen Heckenvogel bis zu den schillerndsten Tropenvögeln gibt es eine Menge zu sehen. Und es ist nur ein Bruchteil, der hier ausgestellt ist. Die ganze Vogelwelt umfasst weltweit um die 10.000 Arten. Dafür ist sogar der Saal im Senckenbergmuseum zu klein. Diese riesige Vielfalt ist allerdings bedroht: Die MaxPlanck-Gesellscha dokumentiert den rapiden Artenrückgang in Deutschland. Über die Häl e der 249 ständig brütenden Arten sind bedroht. 14 Arten sind bereits ausgestorben und weitere sechs werden in den nächsten Jahren nicht mehr zu nden sein. Ähnlich sieht es bei P anzen aus. Schlechter sogar bei Insekten: Ihre Biomasse hat um unglaubliche 80 Prozent in den letzten 25 Jahren abgenommen. Die Diversität, also die Vielfalt, nimmt in der Natur rapide ab. Doch auch in der Nutztier- und Nutzp anzenwelt sieht es nicht anders aus. Nicht umsonst gibt es die Gesellscha zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. Oder kennen Sie das Limburger Rind? Das deutsche Karakulschaf oder den Bergischen Kräher, eine Hühnerrasse? Vielfalt auf dem Rückzug? Schauen wir ins Müsliregal, könnte man auf die Idee kommen, dass es eine nie dagewesene Vielfalt und Variantenbreite gibt. Doch schaut man auf die Zutaten, stellt man fest: Es ist eigentlich immer dasselbe drin. Denn auch bei den Nutzp anzen geht der Bestand angebauter Sorten zurück. In Köln gibt es die Gesellscha für bedrohte Sprachen der Universität Köln. Ihre Voraussage: Ein Drittel der circa 6500 gesprochenen Sprachen wird in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Damit werden Wege zum Weltverständnis und der Kultur verschwinden. Von diesem Blickwinkel aus müsste man sagen: Es ist nicht so weit her mit der Vielfalt. Es verschwinden überall Tier- und P anzenarten. Die Sorten angebauter Gemüse und Getreide schrumpfen zusammen auf ein paar wenige von großen Firmen ausgesuchte Arten. Trotz vieler Kommunikationsmöglichkeiten verschwinden Sprachen und Kulturen, in denen so verschieden und vielfältig gedacht und gesprochen werden kann. Was ist mit der Vielfalt, der Diversität und der Variation? Die Welt ist doch eigentlich nicht so einheitlich. Vielfalt ist wertvoll. Die Straßen unserer Städte sind bunt. Durch die 8 TEXT: BR. JENS KUSENBERG Menschen aus verschiedenen Kulturen, die das Leben bereichern. Es gibt indisches Essen, chinesische Küche und peruanische Getränke. Diversität fügt sich zu einem Miteinander In Frankfurt ist es tatsächlich so. Nach der letzten Frankfurter Statistik liegt der Anteil der ausländischen Bevölkerung bei 31,5 Prozent. Von überallher kommen die Menschen, von allen Kontinenten. Bei einer so großen Vielfalt und Verschiedenheit ist es sehr ruhig und friedlich. Entgegen aller Unkenrufe aus bestimmten Richtungen kommt es in Frankfurt nicht zu „Rassenunruhen“ oder Kämpfen zwischen rivalisierenden Gruppen. Nein, die so ganz verschiedenen Menschen leben ihr Leben neben- und miteinander. Ja, sicherlich ist das nicht das Paradies auf Erden. Es gibt auch in Frankfurt Probleme mit Kriminalität, Armut und Ausgrenzung. Aber dafür ist nicht die Vielfalt erstursächlich. Peter Reulein, Bezirkskantor des Bistums Limburg und geborener Frankfurter, meint: „Frankfurt hatte schon ab den 60er Jahren einen großen Zuzug von „Gastarbeitern“, wie man das damals nannte. Überwiegend kamen die Menschen aus der Türkei, Italien, Griechenland und Spanien. Die Internationalität ist durch den Flughafen, Internationales Frankfurt Im guten Miteinander Heterogenität wertschätzen FOTOS: ISTOCK, KAPUZINER/ZARATÉ > _WINTER 2023

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