FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
BR. HELMUT RAKOWSKI
wurde 1962 in Mainz geboren und ist seit 1981 Kapuziner. Er ist gewählter Provinzial der Kapuziner in Deutschland, West-Österreich, Belgien und Niederlande
Vielfalt annehmen: Eine verpasste Chance
Die Gesellschaft wird internationaler. Aus Angst vor den Populisten fehlt der Mut, die Chancen dieser Entwicklung zu verteidigen, die in Orden seit vielen Jahren gelebte Realität ist. Ein Standpunkt von Br. Helmut Rakowski.
Orden waren schon immer Vorreiter. Nonnen und Mönche haben Wälder urbar gemacht, sie betrieben Apotheken sowie Schulen. In der Neuzeit antworteten Gründerfiguren auf die sozialen Nöte der Gesellschaft. Auch beim allgegenwärtigen Fachkräftemangel haben Klöster viel Erfahrung: Schwestern und Brüder aus anderen Ländern halten schon lange wichtige Dienste bei uns aufrecht.
Das gemeinsame Leben und Arbeiten ist auch im Kloster eine Herausforderung. Darum haben sich die Verantwortlichen der etwa 13.500 Ordenschristen in Deutschland bei ihrer Jahresversammlung zu diesem Thema ausgetauscht. Dabei fiel der bekannte Satz von Max Frisch: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“
Auch in der Kirche gilt es, aus den Fehlern des Anfangs zu lernen. Berufsausbildung und Sprachkenntnisse reichen nicht. Jeder Mensch ist zutiefst geprägt von seiner Herkunft und Kultur. Hier muss Lern- und Übersetzungsarbeit geleistet werden. Wo das gelingt, so die Orden, werden beide Seiten bereichert.
Wir Ordensgemeinschaften beklagen jedoch, dass auf der Ebene der Politik Angst herrscht. Obwohl Schwestern und Brüder aus dem Süden kommen, um den „Fachkräftemangel“ zu lindern, ist es schwer, ein Visum zu bekommen. Ich fürchte, dahinter steckt die Angst der Politik vor populistischen Parolen. Es fehlt der Mut, die Chancen des Zuzugs zu verteidigen. Die regierenden Parteien wollen unbedingt den Eindruck vermeiden, man würde „Fremde“ willkommen heißen. Damit ist der stets beklagte Fachkräftemangel teilweise auch selbstgemacht.
Eine verpasste Chance. Denn es könnte es uns helfen, uns auf den Reichtum all derer einzulassen, die nicht freiwillig zu uns kommen, sondern die fliehen vor Krieg, Gewalt und Armut.